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Die Galgeneiche
foto: aus dem Buch

Die Galgeneiche

„Sie steht wohl schon ein paar hundert Jahre am Weg von Zobten nach Klein-Silsterwitz. Der Hügel wird Galgenberg genannt, nach der alten Eiche. Warum heißt sie >Galgeneiche<? Ob man dort Verurteilte hängte? Niemand fragt danach, es ist eben die Galgeneiche. Links von ihr führt ein Weg nach Groß-Silsterwitz, rechts an der Eiche vorbei geht es den Berg hinauf nach Klein-Silsterwitz. Im Sommer bietet sie mit ihrer breiten Krone Schatten. Die Pferde konnten früher ein Weilchen verschnaufen, eh sie das Gespann den Berg hinauf zogen. So mancher Wanderer setzt sich am Wegesrande in ihren wohltuenden Schatten.

Auch mein täglicher Schulweg führt an der Galgeneiche verbei. Auf dem Heimweg bleibe ich immer ein bisschen mit meinem Fahrrad dort stehen. Unter der Eich fühle ich mich irgendwie geborgen. Sie ist für mich ein Wahrzeichen, denn ich weiß, gleich hinter dem Eichtich sehe ich schon mein Zuhause.

Aber dann kommt der Schrecken. An der Eich vorbei ziehen endlose Trecks mit Flüchtlingen von beiden Oderseiten. Im Januar 1945 – die Pferde aus dem Flachland waren die Berge nicht gewöhnt – quälen sich die Tiere den Galgenberg mit schwerer Last nach oben. Die Menschen helfen Schieben, nur die Eiche schaut stumm zu. Dann sieht sie, wie Breslau brennt. Ganz in der Nähe brennt es schon in Bankwitz. Russische Tiefflieger schießen auf Trecks und deutsches Militär, auch die Eiche wird von manchem Treffer erwischt!

Dann ziehen die Sieger mit Panzerwagen und großem „Urraa“ an ihr vorbei, hin und her, und nachts zum Plündern in unsere abgelegenen Dörfer. Drei verschiedene Sprachen hört nun unsere Eiche: Deutsch, Russisch und auch schon Polnisch, ein ganzes Jahr lang.

Dan muss die Galgeneiche zusehen, wie man die Schlesier hinauswirft, sie verjagt von Hab und Gut, wie alle an ihr vorbeiziehen, zum letzten Mal, für immer. (…) Sie kann ja nicht aus Grund und Boden gerissen werden, so wie man es mit den Menschen tut.“

– Stefania Wróbel
„Ich bin eine Deutsche in Polen. Steffis Geschichte”
Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Breslau, Wrocław, 2013,  59

Autor

Stefania Wróbel

Spezies

Quercus L.

Ort

am Weg nach Klein-Silsterwitz

diese Pflanze existiert nicht