Wir hatten mal – eigentlich nicht ganz rechtens – einen Schrebergarten von Ewas Eltern übernommen. Wir haben uns da selbst eingeladen, wir dachten, wenn wir ein Stück abbekommen, können wir es anbauen. Mit dem Anbauen ging es nicht so gut, aber wir haben dort doch ein wenig geübt. Einiges ist uns gelungen. In diesem Garten gab es ein paar Obstbäume und im Unterschied zu anderen Gärten in Wrocław hatte dieser noch seine Vorkriegsgeschichte. Unser Garten war so, wie es jemand vor dem Krieg geplant hat. Die Pfosten standen genau nach der alten Planung. Die Bäume wuchsen unterschiedlich, manche deutlich zu nah am Zaun. Deshalb fiel das Obst nicht immer da hin, wo sich der Baumbesitzer es wünschen würde. Mit unseren Nachbarn lebten wir ganz gut, unser Nachbar hatte nur ein Problem, ein Teil des Kirschbaums hing zu tief in seinem Garten, es war ein wirklich imposanter Kirschbaum, so eine Art gibt es heute nicht mehr. Die Würmer waren auch entsprechend groß. So bin ich auf die Idee gekommen, die Äste abzusägen. Um die Äste nicht umsonst abzuschneiden, mussten wir warten, bis die Kirschen reif sind, dann die Äste mit den Kirschen abschneiden und alle Kirschen sammeln. Im eigenen Garten natürlich. So haben wir es gemacht.
Eines Tages haben wir mit diesen Ästen gesessen und die Kirschen gepflückt, im Garten. Irgendwann ist der Besitzer eines andren Schrebergartens mit einem älteren Ehepaar gekommen, hat ihnen etwas erklärt und dabei auf unseren Garten gezeigt. Es hat sich gezeigt, das waren Deutsche, die eine Nostalgiereise durch Wrocław gemacht haben und unbedingt diesen Garten sehen wollten. Den Garten, wo ihre Eltern vor dem Krieg tätig waren. Es hat uns nicht wirklich gepasst, wir waren doch mit den Kirschen beschäftigt. Es war auch ein wenig peinlich, weil die Äste gerade frisch abgesägt wurden. Und natürlich das Erste, was sie gefragt haben, war, ob wir immer Kirschen pflücken indem wir die Äste abschneiden. Ich habe es ihnen erklärt, dass der Baum schon zu groß war und dass wir ein Teil abschneiden mussten. Und da gerade die Kirschen reif waren.
Bei dieser Gelegenheit haben wir von ihnen erfahren, dass ihre Eltern, die den Garten gegründet haben, Arbeiter und eher arm waren. In diesem Garten haben sie immer Ferien verbracht. Sie verreisten sonst nie.
Die Gärten blühten, es gab sogar einen Platz und so etwas wie ein Geräteverleih. Es gab auch eine Art Teehaus und man konnte da sogar eine Geburtstagsfeier veranstalten, wenn jemand es brauchte.
Wir haben uns unterhalten und dann von ihnen verabschiedet. Zum Abschied ist unsere Tochter ihnen hinterher gelaufen, denn irgendwie sind wir nicht rechtzeitig auf die Idee gekommen, etwas aus diesem Garten zu schenken. So ist Iza mit einem Kirschkorb gelaufen. Die Frau ist zurückgekommen und hat sich bedankt. Sie hat auf die Kirschen geschaut und weinte. Es war wirklich rührend, denn im ersten Moment sah es aus, als ob es irgendwelche polnische Ordnung wäre, die Äste abzuscheiden. Und dann hat sich gezeigt, dass wir irgendwie zu Seelenverwandten gehören. Unser Garten entstand auch nicht aus einem Reichtum. Der Schrebergarten war auf Huby (Huben), in der Familienschrebergärtenkolonie namens Märchen. Und genauer – Tulpen. Zwischen den Straßen Borowska und Ślężna. Diese Schrebergärten sind immer noch da.