In Wrocław gibt es eine Vielzahl an Pflanzen, die in anderen Teilen Polens nicht vorkommen. Auch den Menschen, die hierherkamen, waren sie fremd. Alle fanden sie wundervoll und spürten doch ihre Fremdheit. So verhielt es sich zum Beispiel mit den Magnolien.
Ich liebe die Magnolien in Karłowice (Karlowitz). Sie stellen für mich ein Symbol unserer Stadt dar, die wie Atlantis ist. Wir haben sie verloren, bevor wir sie kennenlernen konnten. Wir entdecken sie nach und nach, werden sie aber nie zur Gänze kennen. Im Moment unserer Ankunft existierte sie nicht mehr, bzw. nur noch bruchstückhaft. Wir können sie rekonstruieren, werden aber nie wieder dieselbe Stadt betreten. Sie wird für immer ein Sehnsuchtsort bleiben.
Karłowice wiederum ist erhalten geblieben. Carlowitz wurde als Gartenstadt angelegt, ist sehr speziell und ganz in Grün getaucht. Auf Luftaufnahmen sieht man ein Meer aus Grün und aus diesem Meer wachsen Villen empor. Unzählige Magnolienbäume befinden sich dort.
Sie tauchen auch oft in der Erinnerung der Menschen auf, die die Festung Breslau überlebt haben, in Tagebüchern aus der unbegreifbaren und schrecklichen Besatzungszeit. Es gibt Passagen, die die letzten, dramatischsten Tage beschreiben, als das schreckliche Bombardement einsetzte und die Stadt anfing zu brennen. Darin findet man Informationen folgender Art: „Die Blüten an den Bäumen haben sich geöffnet, die Bäume treiben ihre Blätter aus, die Pflanzen haben die Risse, Wunden und verrußten Mauern überwachsen“ oder „Es ist ruhig geworden und der Flieder blüht.“ An einer anderen Stelle findet sich die Beschreibung eines blühenden Magnolienbaumes.
In der offiziellen Geschichtsschreibung über den Krieg und seine dramatischen Ereignisse gibt es keinen Platz dafür. Dennoch ist es ein Versuch, das Gleichgewicht zwischen dem normalen Leben und der unvorstellbaren Tragödie herzustellen. Die Leute damals waren bereits so gleichgültig geworden. Zum Beispiel schrieb ein 13-, 14-jähriger Junge in sein Tagebuch, dass die Leichen ihn nicht mehr erschüttern würden. Er gehörte einer Gruppe an, die Tote begrub. Er hob Leichenteile auf und warf sie in Massengräber, völlig gleichgültig. Gleichzeitig weist er auf die blühenden Magnolien und den Flieder hin und beschreibt, wie er Blumen sammelte und sie in eine Vase stellte. Es war der Versuch, in einer Umgebung, die zur Gänze vom Tod beherrscht war, nach Leben zu suchen. Mich hat das immer tief berührt, weil auf der einen Seite die Deutschen davon berichtet haben, dass in Krietern (Krzyki) oder Karlowitz Magnolien oder Fliederbüsche blühten, und dann kamen die Polen, fingen an sich hier einzurichten und dieser blühende Flieder wurde wiederum zu einem gewissen Symbol. Ganz gleich, was passiert ist, der Flieder und die Magnolien haben hier schon immer geblüht.
Übersetzung aus dem Polnischen: Anna Szostak-Weingartner